Visual Research zu vernetztem Aktivismus 29.02. – 18.10.2020 | Fotomuseum Winterthur

SITUATION #198

Neue Formen der Datenzirkulation haben die Verbreitung von audiovisuellem Material von Grund auf verändert und die Formierung und Organisation von Protestbewegungen angeheizt. Social-Media-Plattformen wie Facebook, YouTube und Twitter werden als massenwirksames Instrument zur Mobilisierung und Koordination tausender Protestierender eingesetzt. Parallel dazu zirkulieren online Bilder von Protestaktionen – extra inszeniert oder dokumentarisch aufgezeichnet – und katalysieren durch den digitalen Raum eine ganz andere Dimension der Revolution. Aktivistische Solidarität aber auch purer Voyeurismus und die Übernahme durch die Massenmedien machen es möglich, dass sich diese Bilder viral verbreiten. Ihre unvermeidliche Zirkulation ermöglicht Gegenerzählungen, die die institutionelle Kontrolle untergraben. Durchgesickerte Bilder von staatlicher Gewalt oder Menschenrechtsverletzungen werden dazu benutzt, un(ter)repräsentierten Stimmen und Standpunkten Gehör zu verschaffen oder/und Ungerechtigkeiten, Diskriminierung oder Überwachung und Missbrauch von Daten sichtbar zu machen. Situationen, die möglicherweise vorher nicht beobachtet oder sogar zensiert wurden, können durch einen einzigen Upload aufgedeckt werden. Auch auf der Ebene des Codes formiert sich Widerstand, wenn Hacktivist_innen Algorithmen austricksen, um das Bewusstsein für die maschinelle Kontrolle zu schärfen oder gar darauf abzielen, die Macht- bzw. Wissensmonopole grosser (Online-)Konzerne zu stürzen. Das kuratorische Team des Fotomuseum Winterthur hat zwei Beispiele für solche Online-Phänomene untersucht, die über die Aneignung vernetzter Bildpraktiken versuchen, Kontrollmechanismen von Staat/Konzernen/Maschinen aufzudecken und zu untergraben.