SITUATION #41
Mit dem Anwachsen von Internetmärkten ist auch eine neue Kategorie von Arbeiter_innen entstanden. Menschen werden dafür bezahlt, sogenannte „Human Intelligence Tasks“ auszuführen: kleine Aufgaben, die Maschinen durcheinander bringen und mit Computern nicht zu lösen sind. Diese Arbeiter_innen, die oft als „micro workers“ bezeichnet werden, lassen sich für Honorare anheuern, die je nach Aufgabe mehrere Dollar oder wenige Pennys betragen. Für den Einzelhandel versehen sie Bilder von Kleidung mit Farbcodes, sie zeichnen Umrisslinien zur Unterstützung von Bilderkennungssoftware, markieren bestimmten Content auf Facebook und Twitter als „unsichere Inhalte“.
Guido Segni hat sich der Crowdsourcing-Plattform Mechanical Turk von Amazon bedient, um die Gesichter des unsichtbaren, rund um den Globus verteilten „Cloud-Proletariats“ zu enthüllen. Er bat die Arbeiter_innen, mit der Webcam ein Foto von sich zu machen und dabei die folgenden Vorgaben zu beachten: Sie sollten ihr Gesicht und ihre Umgebung abbilden und dabei den Mittelfinger hochstrecken. Das Resultat ist eine kuratierte Porträtserie von Crowdworkern in ihrer häuslichen bzw. Arbeitsumgebung, die uns den Mittelfinger zeigen. Die Arbeit ist ein zynischer Kommentar auf die Ausbeutung der Online-Arbeiter_innen und zugleich der ehrliche Versuch, zwischen dem Künstler, der Öffentlichkeit und der Masse der Crowdworker einen Dialog zu eröffnen. Sie wirft zudem Fragen zu neuen Wertvorstellungen auf, zu Löhnen und zu neuen Verhältnissen zwischen Freizeit und Arbeit. Und natürlich zeigt uns The Middle Finger Response die Menschen und Gesichter hinter der noch jungen Praxis der Cloud-Arbeit – ein Abbild der digitalen Arbeiterklasse und der Auswirkungen neoliberaler Deregulierung.
Mehr von Guido Segni: guidosegni.com
Cluster: Proletariate