SITUATION #159

Im Rahmen von SITUATIONS/Foto Text Data haben wir um Einsendung kurzer Videobeiträge gebeten, die sich mit dem Zusammenspiel von Text und Bild in unserer heutigen datengesteuerten Gesellschaft auseinandersetzen. Die ausgewählten Projekte sind:

Hana Yoo, When Will the Earth Be Destroyed?, 2019
Jack Wolf/Alexander Schindler, In-Camera Proceedings, 2018
Helen Wiona Röhrig, nevergonnagiveyouup, 2019
Anna Ehrenstein, Real Thomas Metzinger, 2019

Die vier Arbeiten widmen sich dem breit angelegten Themenfeld aus ganz unterschiedlichen Perspektiven – von forschungsbasierten Ansätzen bis hin zu künstlerischen Auseinandersetzungen mit populären Internetphänomenen. Über verschiedene Arten von Displays und Computerprogrammen wie Smartphone Apps, Google Earth und dem Desktop thematisieren sie die multimedialen Umgebungen, in denen Text-Bild-Konstellationen heute erscheinen. Inhaltlich beschäftigen sich die Arbeiten mit sozialen, kulturellen und politischen Aspekten wie Selfie-Kultur, Bildkonsum und Schönheitswahn, Internet-Trolling, Meme-Kultur, Überwachung, künstlicher Intelligenz und der Sehnsucht nach Unsterblichkeit.

Die Gewinner_innen erhalten einen Preis von 500 CHF. Ihre Arbeiten werden im Rahmen eines Screenings am Mittwoch, 8. Mai 2019 um 19:30 am Fotomuseum Winterthur präsentiert (Grüzenstrasse 45, in der SITUATIONS Ausstellung). Das Rahmenprogramm findet auf Englisch statt.


HANA YOO, WHEN WILL THE EARTH BE DESTROYED?, 2019
Ist die Künstliche Intelligenz jene Allmacht, die aufgrund ihres Zugangs zu allen Daten der Welt in der Lage sein wird, Fragen zu beantworten, die noch nie jemand zuvor beantworten konnte? Kann sie die menschliche Sterblichkeit unterwandern und uns von der Angst vor dem Tod befreien? Oder fühlen wir uns ganz im Gegenteil durch sie bedroht? An der Schnittstelle von Mythos, Religion und Wissenschaft zeichnet Hanna Yoos Video die historisch anhaltenden Versuche und Wünsche des Menschen in seinem Streben nach Unsterblichkeit nach.

Die koreanische Künstlerin Hana Yoo kreiert experimentelle Videoarbeiten, die veränderte mentale Zustände inmitten der digitalen Kultur untersuchen sowie die Natur der Künstlichkeit untersuchen. Sie erforscht die Immaterialität von bewegten Bildern durch Materialien der Technologie und sammelt und reorganisiert Erfahrungen, Erinnerungen und Spekulationen. yoohana.net

JACK WOLF/ALEXANDER SCHINDLER, IN-CAMERA PROCEEDINGS, 2018
Das Verfahren von Google Earth, unsere Welt zu scannen, zu modellieren und zu speichern, basiert auf Luftbildfotografie und Satellitenfotos, die mittels Bildanalyse- und Fotogrammetrie-Software als 3D-Modelle rekonstruiert werden. Auf den Servern von Google abgespeichert, können diese Bilder weder heruntergeladen noch bearbeitet werden. In-Camera Proceedings fordert diese eingeschränkte Handlungsfähigkeit eines rein passiven Beobachtens heraus, indem es ein Tutorial zur Verfügung stellt, um den (virtuellen) Raum zurückzuerobern.

In seiner künstlerischen Praxis nutzt Jack Wolf alte und neue Technologien, um aktuelle Themen wie Migration und Daten zu untersuchen. Seine Forschung widmet sich der Technik als Instrument, um die Welt anders zu verstehen und Aspekte der zeitgenössischen Gesellschaft kritisch zu beleuchten. jackwolf.co.uk

Alexander W. Schindler ist Autor, Designer und Forscher in den Bereichen Medienphilosophie, Medienkunst und Wissenschafts- und Technikgeschichte mit Sitz in Berlin. Seine Forschung konzentriert sich auf die Geschichte der Lichtwellenoptik und ihre Auswirkungen auf das elektronische Bild.

HELEN WIONA RÖHRIG, NEVERGONNAGIVEYOUUP, 2019
Die Internet-Kultur bringt spezifische Phänomene hervor, die sich nur innerhalb der Online-Welt abspielen. So beispielsweise das „Rickrolling“, eine scherzhafte Form der Irreleitung, bei der ein Link die User_innen nicht auf das Musikvideo von Rick Astleys Never Gonna Give You Up weiterleitet anstatt auf die angegebene Webseite. Im gleichnamigen Video befasst sich Helen Wiona Röhrig über Text-Bild- Collagen mit der Entstehungsgeschichte dieses Online-Phänomens, das sie genau dort verortet, wo es stattfindet – auf der vernetzten Desktopoberfläche des Computers und mit einer ordentlichen Prise Ironie.

Helen Wiona Röhrig befindet sich derzeit in der Ausbildung zur Fotografin an der F+F Schule für Kunst und Design in Zürich.

ANNA EHRENSTEIN, REAL THOMAS METZINGER, 2019
Die Populärkultur propagiert vielerlei Möglichkeiten, uns näher an unser wahres Selbst heranzuführen oder von diesem zu entfernen – von Schönheitsoperationen bis zu DNA-Tests. In ihrer Videoarbeit inszeniert Anna Ehrenstein ebendiese Versprechen, wobei die Künstlerin ihre Performances mit Deepfake-Videos kombiniert, die sie mit Smartphone-Apps anfertigt. Diese zeigen Prominente, die aus Thomas Metzingers Buch Der Ego-Tunnel zitieren, in dem der Autor über das ‚Selbst‘ aus neurowissenschaftlicher und philosophischer Perspektive reflektiert. Doch ist dieses ‚Selbst‘ letztlich nicht auch bloss eine Konstruktion – so virtuell und künstlich wie das billige Deepfake?

Anna Ehrensteins transdisziplinäre künstlerische Praxis untersucht die Überschneidungen und Unterschiede von Hoch- und Massenkultur und deren sozioökonomischen und politischen Bedingungen. Als Teil der albanischen Diaspora in Deutschland bilden die migrationsbezogene visuelle Kultur und transkulturelle Erzählungen Schwerpunkt ihrer künstlerischen Auseinandersetzung. annaehrenstein.com