Zwischen den intensiven Tagen der Konferenz und der Veröffentlichung dieses Textes ist fast ein Jahr vergangen, in dem ich das Glück hatte, neben meinen anderen Aktivitäten eine Paneldiskussion in der Photographers’ Gallery in London zu organisieren, die Ende September unter dem Titel
Photography & Gender Dynamics post #MeToo stattfand. Ein Ziel dieser Veranstaltung war es, die virale Oberfläche der #MeToo-Bewegung zu überwinden, deren Bedeutung zwar unstrittig ist, aber in gewisser Weise auch verschleiert wurde durch eine Art „Spektakularisierung“ im Stile des westlichen, weissen Hollywood. Hinter eben dieser Oberfläche verschwinden jedoch ernste Fragen von Privilegien und des Postkolonialismus, um die es gehen muss, wie
Tarana Burke, die ursprüngliche Initiatorin des
Me-Too-Movement vor mehr als zehn Jahren bei ihren
jüngsten öffentlichen Auftritten ausgeführt hat. Während der Konferenz erinnerte uns die Künstlerin und Dichterin Khairani Barokka an die verborgenen und gefährlichen Schnittstellen zwischen Feminismus, Frauenrechten und dem Kapitalismus. Sie forderte uns auf, über ein scheinbar unschuldiges Objekt nachzudenken: roten Lippenstift. Zunächst musste er als ein feministisches Symbol für die Emanzipation der Frauen neu besetzt werden, mittels einer Dekonstruktion all der ‚sexualisierten‘ Konnotationen, die in den Bildern der Femmes fatales mitschwingen, die in der Modefotografie, Werbung und Filmindustrie Hollywoods zirkulierten. Khairani erinnerte ebenso an die unsichtbaren Schichten der Gewalt gegen Frauen jenseits solcher politischen Fragen der Repräsentation. Es sind Schichten, die ein roter Lippenstift verbirgt und die mit der industriellen Herstellung von Palmöl zu tun haben, das in fast jedem Lippenstift enthalten ist, und dessen internationaler Handel und Anbau in Khairanis Heimat, der Insel Java in Indonesien, nicht nur mit schrecklichen Arbeitsbedingungen für Frauen einhergeht, sondern auch den entsetzlichen Nebeneffekt des sexuellen Missbrauchs von Dorfbewohnerinnen hat.
[1] Nach mehreren Überarbeitungen scheint mir, dass sich mein Text als ein offenes „Work in progress“ versteht, mit Verknüpfungen zu weiterführender Forschung, auch weil ich, trotz meines Willens zum Optimismus, stark bezweifle, dass die Gewalt gegen Frauen zu meinen Lebzeiten ein für allemal aus der Welt verschwinden wird. Was sich aber zum Besseren entwickeln kann, sind die Systeme des Widerstands und der Heilung, und ich hoffe, dass ich zukünftig immer wieder mit guten Neuigkeiten zu diesem Text zurückkehren werde. Die
Ernennung eines „UN-Sonderberichterstatters zu Gewalt gegen Frauen, deren Ursachen und Konsequenzen“ im Jahr 1994, die Einführung der statistischen Erfassung von Femiziden, um diese hoffentlich im Laufe der Zeit auszurotten, und die Verbreitung von Initiativen und Bewegungen wie
Ferite a Morte und
#MeToo, die in einigen Fällen aufgrund der einhelligen öffentlichen Verurteilung ihrer Taten bereits zur Entfernung von Tätern aus ihren Positionen geführt hat, sind wichtige Schritte in diese Richtung.
[2]