Fotomuseum Winterthur | Samstag, 07.06. – Sonntag, 24.08.2008

Sergey Bratkov – Heldenzeiten

Nach der Retrospektive von Boris Mikhailov fünf Jahre zuvor (2003) stellte das Fotomuseum Winterthur mit Sergey Bratkov (*1960) einen weiteren wichtigen russisch-ukrainischen Künstler der nachfolgenden Generation vor. Mit ca. 130 Werken gibt die Ausstellung einen tiefen Einblick in das fotografische Schaffen Bratkovs seit Anfang der 1990er Jahre, das sozialkritisch, politisch und gleichzeitig von Poesie durchdrungen ist. Eine direkte, manchmal schonungslose Darstellung des Alltags und des Zusammenlebens nach dem Niedergang der Sowjetunion zieht sich als roter Faden durch das Werk und mischt sich zu einem bisweilen schrillen Theater der neuen Realität.

Der in der ukrainischen Industriestadt Kharkov aufgewachsene Bratkov legt in seinen Bildserien die ideologisch überkommenen Klischees der Sowjetzeit ebenso offen wie den neuen Habitus des kraftstrotzenden Ostkapitalismus. Seine dokumentarischen Porträtserien über Sekretärinnen, Soldatinnen und ehemalige Seefahrer, über Stahlarbeiter, obdachlose Kinder oder Frauen mit Kinderwunsch zitieren die sozialistische Bildsprache, indem sie den Menschen in Stereotype einzuordnen vorgibt. Sergey Bratkov sucht in seinen „Heldendarstellungen“ nicht die Konformität der Gruppe, hinter der sich das Individuum verstecken könnte, sondern provoziert vielmehr durch gezielte Grenzüberschreitungen von moralischen und geschmacklichen Tabus. In zuweilen ironischen Zuspitzungen erfindet Sergey Bratkov eine neue Form des sozialen Realismus in fotografischen Bildern und demaskiert den kritischen Sozialismus als ideologisch überkommene Fiktion.

Die Ausstellung wurde von Thomas Seelig kuratiert. Eine Zusammenarbeit mit La Virreina Exposiciones, Barcelona, Institut de Cultura de Barcelona, dem Institute of Contemporary Art, Boston, und FOAM Fotografiemuseum Amsterdam.

Hauptsponsor: Vontobel-Stiftung