Sammlung Ochi – Medizinische Fotografie aus Japan um 1900
Entdeckt hat er sie in einer unscheinbaren Holzschachtel aus Kaiserbaum, die seit geraumer Zeit nicht mehr geöffnet wurde. Darin fand er 365 Fotografien von Personen mit angeborenen und krankheitsbedingten Deformationen: Akimitsu Naruyama, Sammler und Galerist aus Tokio, hielt eine einzigartige Kollektion in seinen Händen. Die Schachtel gehörte dem japanischen Arzt Ikkaku Ochi. 1879 in Hiroshima geboren, besuchte Ikkaku Ochi die Universität in Okayama, der nächst gelegenen Grossstadt, wo man Medizin studieren konnte. Mit grosser Wahrscheinlichkeit wurden die besagten Fotografien dort als Lehrmaterial an die ungefähr 60 Studenten eines Jahrgangs verteilt und in Fachjournalen wiedergegeben. Abgelichtet wurden die Patienten in „Ôta Rakusui-ken“, dem damals grössten Fotostudio der Stadt. Inhaber des Studios war Tsutomu Ôta. Dr. Ikkaku Ochis Kollektion verkörpert medizinhistorisch interessante Zeitdokumente: Dank der heutigen Möglichkeiten der Medizin entwickeln sich die Symptome dieser Krankheiten nicht mehr so weit wie auf Tsutomu Ôtas Bildern. In ihrer traurigen Schönheit heben sie sich jedoch ganz deutlich von den konventionellen, westlichen Medizinfotos à la „Pschyrembel“ ab. Sie sind viel mehr einfühlsame Porträts – mit stark folkloristischem Hintergrund aus dem Japan der Jahrhundertwende – von Menschen, welchen mit Würde und Respekt begegnet wurde, obwohl die kranken Körperteile vielleicht nicht für Jedermanns Augen geeignet sind.
Die Ausstellung wurde kuratiert von Urs Stahel.