Die Lager – Bildgedächtnis der Nazi-Konzentrations- und Vernichtungslager (1933–1999)
Die nationalsozialistischen Konzentrations- und Vernichtungslager hinterlassen in der Erinnerung in der Regel ein wirres oder stereotypes Bild: eine Anhäufung dürrer Menschenleiber, ein abgezehrtes Gesicht mit unergründlichem Blick, Stacheldrahtzäune oder ein Wachturm. Das Ganze als Teil eines riesigen, doch undeutlich umrissenen ikonographischen Vokabulars.
Genau genommen herrscht über dieses Thema allergrösste Verwirrung: die trügerischen Bilder der Nazipropaganda werden unbekümmert vermengt mit Aufnahmen von der Befreiung der Lager, die ihrerseits in die Nähe heutiger Bilder von den zu Gedenkstätten oder Museen umgewandelten Lagern geraten. Noch problematischer ist, dass diese Bilder zumeist ohne irgendwelche genauen Angaben publiziert werden – gleichsam wie eine Art Ikonen des Grauens.
Heute erscheint der Versuch möglich, diese Ikonographie mit zugleich kritischem und analytischem Blick zu betrachten. Wenn man weiss, dass die Mehrzahl unserer Zeitgenossen mit diesem Geschehen zumeist erstmals aus dem Blickwinkel dieser Bilder konfrontiert wird, müssen sie einer historischen Überprüfung unterzogen werden. Während die übrigen Darstellungsformen (Malerei, Bildhauerei, Film, Literatur usw.) bereits Gegenstand gründlicher Untersuchungen geworden sind, bleiben die Beziehungen zwischen der Fotografie und der Welt der Konzentrationslager weitgehend unerforscht.
Zwar wurden Artikel über die Fotografie der Nazis veröffentlicht, ein paar Bücher über die fotografische Darstellung der Befreiung der Lager oder auch Werke über die Erinnerungsarbeit der zeitgenössischen Fotografen, indes existiert keine Synthese, die eine spezifische und querschnittartige, exakte und umfassende Analyse dieser Ikonographie bietet. Dieses Ziel streben die Ausstellung Die Lager – Bildgedächtnis der Nazi-Konzentrations- und Vernichtungslager (1933–1999) und das Begleitbuch an.
Die Ausstellung wurde kuratiert von Clément Chéroux und Pierre Bonhomme. Realisation in Winterthur: Urs Stahel. Eine Zusammenarbeit mit dem Patrimoine photographique, Paris, dem Palazzo Magnani, Reggio Emilia, und dem Museu nacional d’Art Catalunya, Barcelona.